Im Zwischenreich – ein Gedicht für den neuen S-Bahnhof ‚Bischofsweg‘

annie-leiter-kopieM. erzählt mir von einem Aushang, auf dem eine Sprühaktion für’s Osterwochenende am Bischofsplatz angekündigt wurde. Bomber und Bomberinnen sollen sich melden. Jede/r darf mitmachen.

Eines meiner Gedichte an einem öffentlich zugängigen Platz zu verewigen, ist schon lange ein Traum von mir gewesen. Deshalb fackele ich nicht lange und gehe am Samstag zum Bischofsplatz, um mich unter die Bomber und Bomberinnen zu mischen. Alles ganz nette Jungs. Ich wirke als Frau Mitte-Ende 30 zwar wie eine Außerirdische unter den teilweise recht jungen und ausschließlich männlichen Sprayern, dennoch werde ich ohne mit der Wimper zu zucken willkommen geheißen. Ich zeige also Floh, der neben Jens bei der Aktion den Hut aufhat, mein Gedicht und erkläre ihm, was ich vorhabe. Floh beäugt das Gedicht, empfiehlt mir, es um eine Strophe zu kürzen und anstelle von Sprühflaschen Farbe und Pinsel zum Auftragen zu verwenden. Ansonsten ist er mit dem Gedicht einverstanden. Wir begehen den neu gebauten S-Bahnhof ‚Bischofsweg‘ und suchen nach einer geeigneten Stelle für das Gedicht. annie-graffiti

Als ich mich für die Wand neben dem Aufzug als Verewigungsort entschieden und Maß genommen habe, verabschieden wir uns. Gepinselt wird erst am nächsten Tag. Ich muss noch eine Skizze in klein anfertigen, um mein Gedicht den Maßen anzupassen. Ich bin aufgeregt, arbeite die Nacht durch, gehe morgens am Ostersonntag auf Radtour mit meinen Eltern und M. im Brandenburgischen. Das war so ausgemacht. Nur sitzt mir die Zeit im Nacken… Nur heute noch kann ich mein Gedicht an  die Wand pinseln! Irgendwann zwischen 18 und 20 Uhr wollen die Jungs fertig werden. Nun ja, straff in die Pedale getritten und auf Umwege verzichtet, die Eltern leicht vergnatzt zurückgelassen (Sie mögen es mir verzeihen, aber wann hat man schonmal eine solche Gelegenheit), zurück nach Dresden gefahren und gegen 16 Uhr am Bischofsplatz eingefunden. Endlich konnte es losgehen…

annie-von-hinten

 

 

Ich schnappte mir eine Leiter, bewaffnete mich mit Kreide und Karton und stieg hoch. Neben mir sprühte ein Anfangzwanzigjähriger auf einem Gerüst. Wir grüßten uns kollegial und stimmten überein, dass unsere beiden Werke doch hervorragend zusammen passten. So schrieb und pinselte ich bis in die 11.Stunde vor mich hin. Die Jungs waren schon gegangen und hatten alle Utensilien mitgenommen. Ich stand noch mit dem Malerflies, der Farbe und dem Pinsel da. M. kam mit Pizza vorbei. Das war bitter nötig, denn ich kippte vor Hunger beinahe von der Leiter. Kurz vor Mitternacht war es vollbracht. Stolz wie Bolle fiel ich in dieser Nacht ins Bett. Dank an M. und alle Bomber!

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